Pagode am Morgen vertreibt Kummer und Sorgen

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Mein MorgenbikeAuch auf Reisen ist man selten frei von Sorgen: Es ist 6 Uhr morgens, ich zockele mit meinem klapprigen 2$ Leihrad im Dunkeln irgendwo auf der Bagan Nyaung-U Road herum, und meine momentane Sorge ist die Suche nach einem geeigneten Ort für den viel gerühmten Sonnenaufgang über Bagan. Bei 40km² und über 2000 Monumenten kein leichtes Unterfangen, aber zugebenermaßen trotzdem eher Kategorie Luxusproblem. Wer 300$ übrig hat, kann sich eine Ballonfahrt gönnen, wer es gerne gesellig mag bucht eine Bustour zu den einschlägigen Spots, und hat somit zwar eine garantiert gute Aussicht, aber erlebt gewiss keinen wirklich intimen Moment. Am anderen Ende der Skala finden sich im Netz zig Geheimtips zu weitgehend unbekannten Spots im Abseits, für die man neben dem Tempel selbst auch noch den Schlüsselwart lokalisieren und ggf. wecken muss. Das ist zwar der Stoff, aus dem Blog-Geschichten sind, aber ohne Licht und nur mit einer rudimentären Karte ausgestattet wird mir schnell klar, dass es mit dem Privat-Sunset nix wird. Als Kompromiss steuere ich den Nord Guni an, den ich noch von der gestrigen Bagan by Bike Tour in guter Erinnerung habe und auch tatsächlich wiederfinde. Draußen stehen nur ein paar E-Bikes und ein mittelgroßer Bus, der Andrang sollte sich also in Grenzen halten.

Hier gehts nach obenIm Tempel ist es gespenstisch dunkel, nur eine einzelne Kerze weist den Weg auf die nächsten Ebenen. Oben haben sich in der Tat lediglich 20-30 Leute eingefunden, es gibt also noch genug Ecken um es sich gemütlich zu machen. Als nervend erweisen sich allerdings einige Damen der ebefalls anwesenden chinesischen Reisegruppe (der einzige Bus!), die pausenlos lautstark schnattern! Kulturelle Unterschiede hin oder her – was gibts in einem solchen Moment bitte groß zu kommunizieren? Als sich dann der Sonnenball langsam im Osten erhebt spricht ein junger Franzose hinter mir endlich mit bestem „franzenglischem“ Akzent aus, was viele andere denken: „Just shut up!“ Dann ist relative Ruhe, der Herr ist mein Held des Morgens!

Mein FavoritAnsonsten gibt es wahrlich nichts zu meckern: Die Lichtstimmung ist phantastisch, die Ballons werten die ohnehin schon beeindruckende Szenerie weiter auf (ein Glück, dass man hier auf grelle Werbung verzichtet hat, auch wenn die Verlockung sicher groß war), Motive gibt es im Umkreis noch und nöcher, wieder heißt die Herausforderung, den „Jetzt ist mal gut mit Bildern“ Moment zu finden. Glücklicherweise hat man ausreichend Zeit, während die Ballons gleich einer lahmen Eieruhr langsam von Nord nach Süd über das Tempelfeld hinweg ziehen. Erst gegen halb Neun mache ich mich mit meinem Drahtesel wieder auf den Heimweg – schön, wenn der ganze Tag nach einem gelungenen Start noch vor einem liegt!

TiMaFe on E-TourIm Hotel angekommen treffe ich Maria und Felix beim Frühstück, und meine Hoffnungen auf einen entspannten Powernap sind schnell dahin: Der Herr ist höchst launisch, und da Schlafenlegen zu dieser frühen Stunde ausscheidet gibts nur eins: Schnell etwas unternehmen! Gegenüber unserer Bleibe betreibt ein freundlicher Burmese einen E-Bike Stand, wie man sie in ganz Nyaung-U überall sieht. Beim Begriff E-Bike denkt man hierzulande an schicke Pedelecs mit Hilfsmotor, fast alle Bagan Varianten sind allerdings relativ lahme chinesische Mini-Elektroroller, die eher einem Seniorenmobil gleichen und bauartbedingt auch nicht für Selbstreter geeignet sind (es sei denn man hat 30cm kurze Beine und quält sich gerne selbst). Dafür ist der Sozius bestens für Felix geeignet, nachdem ihn Maria mit unserem Multifunktions-Spanngurt zusätzlich abgesichert hat. Als der freundliche Herr sogar noch aus der Nachbarschaft einen Kinderhelm besorgt, sind unsere Sicherheitsbedenken auch hinreichend befriedigt und wir kommen für 6$ pro Vehikel und Tag ins Geschäft.

Wenn es um abgedroschene Phrasen auf Reisen geht, spielt „BupayaDie Welt ist klein“ in einer Liga mit „Der Weg ist das Ziel“ und Konsorten. Trotzdem kann ich mir den Spruch nicht verkneifen, als wir mit unseren frisch geliehenen „E-Bikes“ nach Alt Bagan tuckern und zufällig die sympathische französische Backpackerin Riiin (Anm. d. Verf.: Name von Felix verfälscht) überholen, die wir vor ein paar Tagen auf der Radtour nach Amarapura kennen gelernt haben. Die Freude ist groß, und Riiin ist mit einen Tschechen names P. unterwegs, den sie im Bus aus Hsipaw kennen gelernt hat. Wir besuchen die Bupaya Pagode, deren Stupa in der Mittagssonne gerade besonders schön leuchtet, lungern bei einem Kaffee und frittierten Snacks an einer Bude am Ayeyarwaddy herum, und verabreden uns fürs Abendessen im Queens, dann ist für uns erstmal Siesta!

IMG_8191_felixtor_MININachmittags wollen wir unseren Batterien nochmal so richtig auf den Zahn fühlen und rollern zur Meditationshöhle Kyaukgu Umin, die sich an einem Berghang nordöstlich von Nyaung U befindet. Die Fahrt zieht sich länger als erwartet, und in diese einsame Ecke scheinen sich nur vereinzelt Touristen zu verirren, was sicherlich eine nicht unwesentliche Rolle bei der Erörterung der Standortfrage gespielt hat – Meditationshöhlen findet man schließlich selten im Stadtkern. Der Tempel selbst ist gewiss nicht so glamourös wie die Top-Ziele in Bagan, aber Ruhe und Lage machen ihn zu einem lohnenswerten Ausflug. Auf dem Rückweg verzichten wir auf Alternativroutenexperimente, da die Batterien auf der bergigen Landstraße doch etwas in Mitleidenschaft gezogen wurden (nach voll kommt leer), dafür schauen wir auf dem Weg noch bei der lokalen Feuerwehr vorbei, da Feuerwehrautos in der Altersklasse 2-3 einfach deutlich höher im Kurs als Tempel stehen, was offenbar auch auf die lokalen Kids zutrifft.

Say HiOhne es wirklich drauf angelegt zu haben sind wir pünktlich zum Sonnenutergang zurück in heimischen Gefilden. Der Shwe Leik Too befindet sich praktischerweise direkt um die Ecke an der Straße, bietet innen einen freundlich grüßenden Buddha und oben einen hübschen unverbauten Blick gen Westen, und nachdem ich die Sonne heute morgen im Alleingang begrüßt habe, können wir sie so zumindest im Kreis der Familie gebührend verabschieden. Beim Abendessen mit Riiin und P. langen wir tüchtig zu und bestellen Myanmar Food auf riesigen Tellern (die Besonderheut ist hier offenbar, dass jede Zutat in einem eigenen Segment landet – quasi eine Art Myanmar-Tapas). Morgen wollen wir den mythenumwobenen Mount Popa erklimmen, ein Mobil ist bereits gebucht – eigentlich läuft alles bestens, aber genau dann kommt es eben oftmals anders, als man denkt. Fortsetzung folgt …

PS: Hättet ihr es gedacht? Bagan ist „Plastic Bag Free Zone“,IMG_8165_freezone_MINI und in der Tat trifft man die Einwegtütchen, die anderorts oft die Landschaft verschandeln, hier nur äußerst selten am Straßenrand und in Gemäuern an. Eine Initiative, die Schule machen sollte!

 

4 Kommentare zu „Pagode am Morgen vertreibt Kummer und Sorgen“

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